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Stephan Krauss: "Die Papiermaschinen sind auf Monate ausgebucht" (Bild: BVdDP)
05.10.2021  Wirtschaft
Stephan Krauss: "Die Situation auf dem Papiermarkt ist besorgniserregend"
Wie lange wird Papier noch knapp sein? Stephan Krauss, Vorsitzender des Bundesverbands des Deutschen Papiergroßhandels, über die aktuelle Liefersituation, die Folgen für Druckereien und mögliche Preiserhöhungen.
Herr Krauss, Druckereien leiden derzeit unter dem Mangel an Papier. Wie ist es zu dieser Situation gekommen?
Stephan Krauss: Die Gründe für diese aktuell unbefriedigende Situation sind vielschichtig. Betroffen sind übrigens alle Marktteilnehmer der Wertschöpfungskette Druck und Papier. Wesentlich ist der Umstand, dass in den letzten Jahren erhebliche Kapazitäten über alle Sorten hinweg aus dem Markt genommen wurden und gerade aktuell noch genommen werden (Stora mit den Werken Kvarnsveden und Veitsiluoto). Diese Entwicklung wurde durch die in der Pandemie deutlich gesunkenen Papierpreise nochmals beschleunigt. 
Außerdem werden weiterhin Papiermaschinen von grafischen Papieren auf Verpackungspapiere umgerüstet. Dementsprechend übersteigt die Nachfrage das Angebot derzeit deutlich. Teilweise wurden und werden wegen des Mangels an Altpapier Maschinen, die eigentlich ausgelastet wären, nicht betrieben. Der Preis für Altpapier hat sich seit Jahresanfang mehr als verdoppelt, und trotzdem ist die Versorgung extrem knapp. Die asiatischen Lieferanten haben wegen gestiegenen Inlandsbedarfen sowie wegen der schlecht verfügbaren Logistik-Kapazitäten weniger exportiert. Ferner haben sie aufgrund von Abstellmaßnahmen in Folge der Stromverbrauchsvorgaben der chinesischen Regierung weniger ausgeliefert.  
All das hat zur Folge, dass die Bedarfe dann aus anderen Quellen gedeckt werden müssen. Viele Druckereien haben aus Sorge um ihre Auslastung ihre Läger deutlich aufgefüllt.  Und schließlich steigt die Nachfrage rein technisch an, wenn die Lieferzeiten steigen.
Insgesamt könnte man durchaus von einer Verkettung vieler unglücklicher Umstände und Faktoren sprechen. Die vielfältigen Ursachen zeigen aber auch, dass es nicht DIE einfache Lösung für die aktuelle Situation gibt.
 
Im Bundesverband des Deutschen Papiergroßhandels sind mehrere Unternehmen zusammengeschlossen. Wie bewerten Ihre Mitgliedsfirmen die aktuelle Situation auf dem Papiermarkt?
Die aktuelle Situation bewerten mehr oder weniger alle Marktteilnehmer als besorgniserregend. Zum einen sind entlang der Lieferketten alle Prozesse extrem aufwändig geworden. Dadurch arbeiten wir, aber auch unsere Lieferanten und unsere Kunden, mit den bestehenden Organisationen am oder jenseits des Limits. Zum anderen aber befürchten wir, dass durch stark gestiegene Preise und geringe Verfügbarkeit Bedarfe unumkehrbar wegfallen, und so der Trend weg von Print, hin zu Online, weiter an Geschwindigkeit gewinnt.
 
Sind bestimmte Papiersorten besonders von Lieferengpässen betroffen?
Die Lieferzeiten sind generell bei allen Sorten extrem lang. Auch wenn das von Sorte zu Sorte variiert, sind die Vorlaufzeiten in vielen Fällen zu lang, um Kundenanfragen im gewohnten Zeitfenster bedienen zu können.
 
Gibt es etwas, was Druckerinnen und Drucker tun können, um schneller an Papier zu kommen?
Ich fürchte nein. Die Papiermaschinen sind auf Monate im Voraus ausgebucht. Wenn die Druckereien sich keine Kontingente gesichert haben, ist aus meiner Sicht die Hoffnung auf schnelle Papierlieferungen fehl am Platz. Natürlich kann der Handel kurzfristige, kleinere Bedarfe aus dem Lager decken. Aber auch die Lagerbestände des Handels sind deutlich geschrumpft. Wir sind nicht mehr in allen Sorten und Artikeln lieferfähig. Ein Ersatz für fehlende Streckenvolumina kann das Lagergeschäft ohnehin nicht bieten.
 
Wie unterstützt der Großhandel die Druckereien?
Wir tun, was wir können, um die Anfragen unserer Kunden realisieren zu können, entweder aus dem Lager oder durch das Angebot von verfügbaren Alternativen zum eigentlichen Bedarf. Aber ein Faktum bleibt leider: Auch wir haben Kontingente bei den Papierfabriken. Was wir nicht von den Fabriken bekommen, können wir auch nicht liefern.
 
Sie stehen in Kontakt zu den Papierherstellern. Was unternehmen die Hersteller, um der Papierknappheit entgegen zu wirken?
Die Papiermaschinen laufen mit maximaler Auslastung. Die Hersteller arbeiten alle daran, die Produktivität zu steigern, die während der Pandemie personalbedingt teilweise arg gelitten hat. Und sie versuchen, Altpapier zuverlässig zu beschaffen. Gleichwohl besteht insgesamt wenig Grund zur Annahme, dass die Produktionsvolumina deutlich steigen könnten, und so die Versorgung wieder im normalen Rahmen gesichert werden kann. Dafür ist der Nachfrageüberhang zu groß. Eine Wiederinbetriebnahme abgestellter oder umgebauter Papiermaschinen, wie von vielen angeregt, ist nach meiner Einschätzung vollkommen unrealistisch.
 
Wie sieht es mit den Preisen aus – erwarten Sie, dass Papiere in Zukunft erneut teurer werden?
Leider ja. Gerade in den letzten Tagen gab es eine Erhöhungsrunde. Einige Hersteller erhöhen dann nochmals im November, und bei allen Herstellern erwarten wir eine weitere Runde zum 1. Januar 2022.
Die Produktionskosten sind in den letzten Monaten deutlich gestiegen, was insbesondere auf die explodierenden Energiekosten zurückzuführen ist. Deshalb gehe ich nicht davon aus, dass die Erhöhung zum 1. Januar 2022 die letzte sein wird. Insbesondere müssen sich unserer Kunden darauf einstellen, dass es in der Zukunft deutlich weniger Planungssicherheit hinsichtlich Verfügbarkeit und Preis geben wird. Auch langfristige Preisvereinbarungen, die über sechs Monate oder mehr laufen, halte ich zukünftig für eher unrealistisch.
 
Wann rechnen Sie mit einer Entspannung auf dem Papiermarkt?
Das ist wirklich schwer zu sagen. Vor ein paar Wochen hätte ich noch gesagt: im 1., spätestens im 2. Quartal 2022. Aber jetzt, mit den explodierenden Energiekosten und den Abstellmaßnahmen in China, würde ich mich da nicht mehr festlegen wollen. Selbst wenn die Verfügbarkeit wieder besser werden sollte, gehe ich davon aus, dass die Papierpreise kostenbedingt hoch bleiben werden. 

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