"Von Erholung kann keine Rede sein"
Die deutschen Zeitungsverlage haben 2009 nach Angaben des Bundesverbandes deutscher Zeitungsverleger (BDZV) ein Umsatzminus von sieben Prozent erwirtschaftet. Die Vertriebserlöse stiegen leicht um 2,3 Prozent, die Anzeigenumsätze dagegen sanken um 15,9 Prozent.
Im Jahr 2009 mussten die Zeitungen als größter Werbeträger – ebenso wie fast alle übrigen Werbeträger – erhebliche Verluste hinnehmen; das Minus im Anzeigengeschäft lag bei 15,9 Prozent (700 Millionen Euro). Durch die positive Entwicklung der Vertriebsumsätze (+2,3 Prozent = 101 Millionen Euro) konnte das Ergebnis teilweise ausgeglichen werden. Somit lag das Gesamtergebnis bei – 7,0 Prozent (rund 640 Millionen Euro).
Der Gesamtumsatz 2009 lag bei 8,46 Milliarden Euro. Davon entfielen 3,9 Milliarden auf das Anzeigen- und Beilagengeschäft, 82 Millionen Euro auf Supplements, 4,47 Milliarden Euro auf Vertriebserlöse.
Die Auflagen gingen 2009 im Durchschnitt um 2,5 Prozent zurück (2008: 25,95 Millionen; 2009: 25,31 Millionen). Diese Entwicklung hielt im ersten Quartal 2010 (-2,7 Prozent) an. Die lokalen und regionalen Abozeitungen verloren im Vorjahresvergleich 2,2 Prozent, Kaufzeitungen 4,1 Prozent, Überregionale 2,1 Prozent, Wochenzeitungen 2,6 Prozent, Sonntagszeitungen 3,6 Prozent.
Die deutschen Zeitungsverlage verkaufen pro Erscheinungstag insgesamt 24,66 Millionen Exemplare. Davon entfallen 19,4 Millionen auf Tageszeitungen (lokale und regionale Abozeitungen 13,8 Millionen, überregionale 1,6 Millionen, Straßenverkaufszeitungen vier Millionen), zwei Millionen auf Wochenzeitungen und 3,2 Millionen auf Sonntagszeitungen.
Angesichts dieser Zahlen fordern die Verleger, dass der Mehrwertsteuersatz für Presseerzeugnisse in Höhe von sieben Prozent vorerst unangetastet bleibt. "Zeitungen sind wie Lebensmittel – sie sichern die Teilhabe und den Diskurs in einer pluralistischen und demokratisch verfassten Gesellschaft", so BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff Auf der Jahrespressekonferenz des Verbandes am Dienstag in Berlin.
Niemand könne eine plausible Antwort auf die Frage geben, warum es überhaupt eine Steuer für politische Meinungs- und Willensbildung gebe. Allen voran müsse die Politik ein hohes Interesse daran haben, dass die Zeitung mit ihrem umfassenden Informationsangebot die Menschen erreiche – national, regional, lokal.
Trotz einer mittlerweile völlig fragmentierten Mediennutzung und einer unüberschaubaren Fülle an Medienangeboten läsen täglich 71,4 Prozent der über 14-Jährigen die gedruckte Zeitung. Hinzu kämen 52 Prozent der Internetnutzer (Unique User), die regelmäßig die Websites der Verlage aufsuchten. In der Kombination von gedruckter Zeitung und Onlineangebot erreichen nach Wolffs Angaben etliche Zeitungen mehr Menschen als je zuvor.
Dennoch seien die Herausforderungen im Leser- und Nutzermarkt mit einem jährlichen Auflagenrückgang von mehr als zwei Prozent und einer noch anhaltenden Anzeigenflaute sehr groß. Allerdings setzten die Verlage in diesem Jahr auf eine positive Entwicklung im Stellenmarkt, der zuvor infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise regelrecht eingebrochen war.
Jörg Laskowski, Geschäftsführer Verlagswirtschaft des BDZV, wies ergänzend darauf hin, dass die Zeitungen europaweit unter der anhaltenden schwierigen Entwicklung der Gesamtwirtschaft litten. Besonders hart getroffen habe es eine Reihe von Gratiszeitungen. "Ohne Vertriebserlöse konnten sie die Werbekrise nicht überleben", so Laskowski.
**break**Die Entwicklung im deutschen Zeitungsmarkt sei im ersten Halbjahr 2010 zwar nicht mehr so dramatisch wie im Jahr zuvor, doch von einer Erholung könne noch keine Rede sein. Bis einschließlich Mai ging die Menge der Zeitungsanzeigen im Vergleich zum Vorjahr um 8,3 Prozent zurück.
Nun hoffen die Verleger auf das Geschäft mit den neuen Tablet-Rechnern. "Elektronische Lesegeräte gehören zu den Hoffnungsträgern der Zeitungsbranche", so Dietmar Wolff.
Durch die Einführung des Apple-iPad habe das Publizieren auf elektronischen Displays eine neue Dimension erreicht. In den Verlagen werde intensiv an Inhalten, Design und Vermarktungsmodellen gearbeitet. Die gesamte Branche bewege sich in einer wichtigen Experimentierphase. Es bestehe Konsens, dass die neuen Tablets große Chancen böten, das klassische Geschäftsmodell der Zeitung, nämlich Vertriebserlöse plus Werbeerlöse, in die digitale Welt zu übertragen.
Der Leiter Kommunikation + Multimedia des BDZV, Hans-Joachim Fuhrmann, machte deutlich, dass die Verlage beim E-Publishing mehr sein wollen als reine Inhalteanbieter. "Sie wollen auf den neuen digitalen Plattformen die Beziehung zu ihren Kunden behalten und die Verkaufspreise für ihre Produkte ebenso selbst bestimmen wie die Entwicklung des Anzeigengeschäfts."
Darüber müsse mit den externen Plattformbetreibern verhandelt werden. Wichtig sei, dass die Verlagsangebote ohne technische Hindernisse möglichst auf allen attraktiven Plattformen und Endgeräten präsentiert werden könnten. Vorstellbar seien auch Kooperationen von Verlagen zur Einrichtung eines E-Kiosks für Presseprodukte. (cvf)