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28.04.2017  Wirtschaft
"Service-Dienstleister für unsere Kunden"
Die aktuelle Krise zwingt die Hersteller von Druck- und verarbeitenden Maschinen zur Kurskorrektur, um zukunftstauglich zu sein. Andrea Bötel und Printweek-Chefredakteur Darryl Danielli sprachen mit dem Vorstand für Vertrieb & Service, Marketing und Produkte, Dr. Jürgen Rautert, über die kulturelle Veränderung, die sich vor diesem Hintergrund bei Heidelberg vollzieht.
Herr Rautert, es kursieren einschlägige Spekulationen um Heidelberg, Es heißt, man suche nach einem Großinvestor. Was ist da dran?
Wissen Sie, wir erleben „Historische Tage“, das komplette Finanz- und Wirtschafts-System funktioniert nicht mehr, wie die Jahre zuvor. Jeden Tag lesen wir neue Botschaften, nichts ist mehr vorhersehbar, geschweige denn entwickelt sich nach der gewohnten Gesetzmäßigkeit der Wirtschaft. Die Aktienmärkte befinden sich aufgrund der unsicheren Zeiten allgemein auf Talfahrt  - viele Firmenbewertungen sind irrational. Mit dieser Situation müssen und wissen wir umzugehen. Unsere Finanzsituation ist stabil. Natürlich weiß niemand  genau, wie lange diese schwierigen Zeiten anhalten und wir reagieren daher sehr vorsichtig und prüfen logischerweise alle Optionen.

Aufgrund der Finanzkrise werden bei den Herstellern als auch bei den Dienstleistern unserer Branche strukturelle Veränderungen beschleunigt. Welche Auswirkungen hat das auf die Geschäftsfelder oder Produkte von Heidelberg?

An unserer Strategie als Lösungsanbieter im Bogenoffsetdruck halten wir ganz klar fest – sie war in den vergangenen Jahren für uns sehr erfolgreich. Hinzu kommt, dass in schwierigen Zeiten, wenn vielleicht gerade kein Geld für eine Maschineninvestition vorhanden ist, die Verbesserung der innerbetrieblichen Abläufe – wir nennen das auch „Prinect Integration“ – eher darstellbar ist.  
Natürlich werden wir weiterhin immer schnellere und produktivere Maschinen anbieten. Maschinen die unseren Kunden einen klaren Mehrwert bringen. Ein Beispiel dafür ist neben der schon oft zitierten XL Plattform auch die Anicolor Technologie von Heidelberg. Anilox gab es ja bereits schon eine Weile in der Trockenoffset Version, Anicolor hat inzwischen allerdings ganz klar die Marktführerschaft übernommen.
Aber kommen wir zurück zu den Workflowthemen: Heute kann ein Dienstleister nur dann überleben, wenn er seine Kosten genau kennt und steuern kann. Das funktioniert nur mit einer integrierten Lösung, bei dem das Management Informationssystem und die Planungsprozesse in der Druckerei aufeinander abgestimmt sind. Langfristig bin ich sicher, dass sich voll integrierte Druckereien am Markt durchsetzen werden.
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Wird sich dieser Strukturwandel auch auf die drei deutschen Druckmaschinenhersteller auswirken? Glauben Sie, dass es weiterhin drei geben wird?
Wie immer sich der Markt und seine Teilnehmer auch entwickeln werden, eines kann ich Ihnen versichern: Heidelberg steht in schwierigen Zeiten zu seinen Kunden und wird auch nach der Krise seine führende Marktposition behaupten. Wir haben viele Installationen im Markt und durch die hohe Zuverlässigkeit der Heidelberg Maschinen, sind hier erfolgreiche Geschäftsbeziehungen von 25 Jahren und mehr eine Selbstverständlichkeit. Im Besonderen Heidelberg konnte in der jüngeren Vergangenheit Marktanteile gewinnen wenn es darum geht integrierte und zukunftssichere Maschinen zu verkaufen. Das macht diese Kunden zu Gewinnern.

Im Bereich Bogendruck werden viele Betriebe verschwinden und der Markt für Offsetmaschinen wird kleiner. Zugleich verstärken japanische Hersteller ihren Vertrieb in Deutschland und Europa. Glauben Sie, dass es zu einer Verschiebung der Marktanteile kommt?
Schauen wir uns doch zunächst die Hintergründe an: Auf der einen Seite überlagern sich die Interessen der japanischen Importeure mit denen der deutschen Handelsvertreter da diese gleichzeitig Hersteller von Druckmaschinen sind. Das bringt natürlich Konflikte. Auf der anderen Seite lernen die asiatischen Kollegen nun ebenfalls die Währungsfalle kennen. Der starke Yen gibt uns hier enormen Rückenwind. Somit halten sich meine Bedenken für Deutschland bezüglich der japanischen Hersteller in Grenzen.

Es gibt die Annahme, dass Heidelberg aufgrund der großen Menge unverkaufter Maschinen den Markt überfluten muss, um den Cashflow anzukurbeln. Was sagen Sie dazu?
Saisonbedingt liegt unser Maschinenbestand im zweiten Halbjahr über dem ersten Halbjahr. Das ist nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich war jedoch der drastische  Nachfragerückgang im dritten Quartal, weswegen wir die Produktion deutlich angepasst haben um eine weiter Bestandsteigerung zu vermeiden. Jedoch wäre es Unsinn, jetzt den Markt zu überfluten. Wir werden ebenso wenig unser eigenes Preisniveau zerstören. Dieses Problem haben unsere Kunden auf Ihren Absatzmärkten  bedauerlicherweise schon zur Genüge. Natürlich bleiben wir in dem einen oder anderen Fall flexibel, um einen Kunden zu gewinnen, aber da gibt es viele Möglichkeiten.  
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Welche Rolle spielt die Entwicklung der Offsetmaschine Linopress, die mit Inkjet-Druckköpfen von verschiedenen Herstellern ausgestattet ist?
Das System spielt im Grafischen Markt derzeit keine Rolle. Aktuell verkaufen wir Linopress-Systeme in vollkommen andere Märkte. Hier geht es beispielsweise um Aluminium- und Blister-Anwendungen. Wir entwickeln das System allerdings kontinuierlich weiter. Dabei geht es natürlich ebenfalls um das Know-how in der Inkjet-Technologie, der Tinte und natürlich die Möglichkeiten in Sachen Druckqualität. Und wenn es der Zeitpunkt erfordert, können wir jederzeit entscheiden in welche Richtung wir, bzw. unsere Kunden gehen wollen.

Bedauern Sie es aus dem Digitaldruck ausgestiegen zu sein?
Wir ignorieren nicht, dass der Digitaldruck Bereiche abdecken kann, die im Offsetdruck nicht möglich sind. Allerdings darf man nicht vergessen, dass die Anwendungen mit variablen Daten weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Die absolute Mehrheit im Digitaldruck spielt sich immer noch im Bereich der statischen Kurzauflage ab. Hier haben sich viele unserer Kunden mit der Anicolor Technologie erfolgreich neu ausgerichtet. Allerdings bleibt der Digitaldruck interessant. Im Besonderen wenn es darum geht, dass unsere Kunden den Printbuyern sinnvolle Gesamtlösungen anbieten. Aus diesem Grund prüfen wir auch hier alle Optionen um unsere Kunden optimal und zukunftsorientiert zu unterstützen. Klar ist aber auch: Heidelberg konzentriert sich weiterhin auf den Markt des Offsetdrucks – das ist und bleibt unser Kerngeschäft.

In Ihrem Bericht zu den Neunmonatszahlen Anfang Februar heißt es, dass das weltweite Service und Verbrauchsmaterialien Geschäft bereits 25 Prozent vom Gesamtumsatz ausmacht. Würden Sie das näher erläutern und mit konkreten Zahlen beschreiben?
Das ist richtig. Wir verzeichnen keinerlei Rückgang in den Bereichen Service- und Consumables. Beide Geschäftsfelder unterliegen weit weniger periodischen Schwankungen in der Marktentwicklung. Daher sind dies strategische Geschäftsfelder, die wir weiter ausbauen werden. Wir verfügen mit weit über 200.000 installierten Einheiten über den größten Marktanteil im Bereich Bogendruck weltweit. Während wir früher den Service in einigen Ländern dieser Erde ignoriert haben, stellen wir uns heute auf jeden unserer Kunden individuell ein. Wir müssen und werden verstärkt auf die Bedürfnisse unserer Kunden eingehen. In Kanada decken wir beispielsweise bereits 50 Prozent des Marktes für Verbrauchsmaterialien ab. In anderen Ländern wachsen wir ebenfalls sehr schnell.
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Welchen Einfluss hat die aktuell angespannte Situation auf ihr Vertriebsnetz weltweit? Werden Sie das in dieser Form aufrechterhalten können?
Definitiv: Ja! Hier werden wir nicht reduzieren. Das internationale Netzwerk von Heidelberg ist eine wichtige und schlagfertige Organisation. Jedes Land hat sein urtypisches Gesicht und dazu braucht man fähige Leite vor Ort. Lassen Sie mich die Rolle der globalen Präsenz an einem aktuellen Beispiel erklären: Für den Aufbau unseres Consulting Angebotes haben wir eine Beratungs-Gruppe gebildet, die aus Spitzenmitarbeitern der ganzen Welt besteht und aus Heidelberg gesteuert und geschult wird. Diese Gruppe hat wiederum Zugriff auf unsere Datenbanken in denen mehr als drei Millionen verschiedene Druckjobs analysiert werden. Diese Analysen ergeben eine wichtige Basis für die Arbeit unserer Berater auf der ganzen Welt. Die Strategie der „Shared forces“ – der vereinten Kräfte – macht unser globales Netzwerk für jeden unserer Kunden so wertvoll. In diese Richtung werden wir unser Vertriebs- und Service-Netz auch in Zukunft weiter optimieren.

Welches sind Ihrer Meinung nach sichere Konzepte für ein gutes Krisenmanagement in einer Druckerei?
Wir unterstützen unsere Kunden aktiv dabei die Krise zu meistern, denn unser Ziel lautet: Wir machen unsere Kunden zu Gewinnern. Hier eine Übersicht aus großer Flughöhe: Ein Unternehmen muss sieben Themen beherrschen:
1. Transparenz,
2. Ausbildung,
3. Qualität,
4. Produktivität,
5. Marketing,
6. Umwelt,
7. Mehrwert.
Es gibt prinzipiell zwei Möglichkeiten: Entweder man beherrscht alle Themen in einer gesunden Ausgewogenheit oder man beherrscht einzelne Disziplinen in überragender Performance. Ich hoffe, dass sich das jetzt nicht zu abstrakt anhört. Unsere Mitarbeiter helfen hier gerne einen genaueren Einblick zu bekommen. In der Schweiz gehen beispielsweise schon heute ca. 70 Prozent der mittleren und größeren Maschinengeschäfte Hand in Hand mit einer solchen Beratungsdienstleistung.
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Welches Potenzial schreiben Sie Investitionen im Software-Bereich zu? Liegt hier in Zukunft das größte Differenzierungs-Potenzial für Drucker?
Software verbindet die einzelnen Komponenten im Produktionsprozess und Software verbindet den Drucker mit seinen Kunden. Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass ein Unternehmer absolut keine andere Wahl hat, wenn er in Zukunft überleben will. Fakt ist, dass kein anderer Hersteller eine ähnlich umfassende Lösung anbieten kann, wie wir mit Prinect. Wir haben weltweit zigtausende Installationen in den unterschiedlichsten Ausprägungen. Es fängt an mit der Voreinstellung der Druckmaschine und endet mit dem vollkommen integrierten Printshop der seine wichtigen Performance Daten in Echtzeit zur Verfügung hat. Viele Unternehmen arbeiten etwa im Hinblick auf die Farbmetrik in einer Präzision, die nur mit Hilfe von Software-Unterstützung möglich ist. Andere Unternehmen können ihre Produktivität entlang der eigenen Wertschöpfungskette so effektiv messen, dass jeder Engpass sofort erkannt wird.
Das wichtigste dabei ist nicht einfach nur die Installation der Software. Viel wichtiger ist der Wandel im Bewusstsein aller Beteiligten. Die Qualifizierung und das Training der Mitarbeiter spielt hier natürlich eine wesentliche Rolle. Ich denke es ist dringend geraten sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen um in der Zukunft erfolgreich zu sein.

Glauben Sie, dass die Krise bald vorüber ist?
Ich denke, wir haben die Talsohle noch nicht erreicht. Im Sommer sehen wir hoffentlich klarer wie es weiter geht.  
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Wie wirkt sich die Situation Ihrer Meinung nach auf die Druckereien aus?

Ich glaube, dass die mittleren Unternehmen schrumpfen werden oder durch Konsolidierung wachsen, die Großen werden wachsen und die kleinen Betriebe werden sich weiterhin in Spezialmärkten behaupten.

Wie sieht das Unternehmen Heidelberg in zehn Jahren aus?
Heidelberg wird die eingeschlagene Richtung fortführen. Im Prinzip ist das ein Wandel unserer Unternehmenskultur: Weg vom reinen Maschinenhersteller – hin zum Service-Dienstleister für unsere Kunden. Um weniger abhängig vom Maschinenabsatz zu sein, planen wir deutlich mehr als 25 Prozent unserer Umsätze in den Bereichen Service und Verbrauchsmaterial zu generieren. Wir werden selbstverständlich weiterhin Druckmaschinen verkaufen und unsere Identität wird nach wie vor die XL Plattform sein.

Herr Rautert wären Sie jetzt gern ein Druckunternehmer?
<Lacht!> Ja, wenn ich die Wahl hätte, würde ich natürlich ein Geschäftsmodell wählen, von dem ich weiß, dass es funktioniert. Hier gibt es viele und die Entscheidung fällt mir nicht leicht, aber ich denke ich würde in eine Anicolor mit Sonderfarben und Lackwerk investieren. Das Geschäft mit dem Druck ist faszinierend, hat Zukunft und ermöglicht viele Chancen. Ich hätte Spaß daran!


Lesen Sie hier das Original-Interview in voller Länge.
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