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03.06.2014  Wirtschaft
„Mittelständler verklagen ihre Lieferanten nur ungern“
Artikel aus: Dow Jones Einkäufer im Markt Nr. 9, Mittwoch, 30. April 2008

 Die EU-Kommission will Verbrauchern und Unternehmen mehr Rechte geben, um sich gegen die Machenschaften von Kartellen zu wehren. Dow Jones Einkäufer im Markt sprach dazu mit Rechtsanwalt Christian H. Gloeckner von der G&P Rechtsanwaltsgesellschaft, Nürnberg/Wien, die für bisher drei Klienten Schadenersatzansprüche an ein Papierkartell durchsetzen will.

Einkäufer im Markt: Herr Gloeckner, wie bewerten Sie den Vorstoß der EUKommission?

Christian Gloeckner: Diese neue Entwicklung ist für beide Seiten ? Geschädigte und Inkassounternehmen ? eine sehr interessante Möglichkeit. Bisher war die Verfolgung von Schadenersatzansprüchen aus Preisabsprachen häufig nicht justiziabel. So wollten die Opfer ihre Ansprüche oftmals nicht geltend machen ? zum einen, weil ihnen Zeit und Geld fehlten, zum anderen, weil ein Mittelständler seinen Lieferanten natürlich nur ungern verklagt. Dies ist jedenfalls unsere bisherige Erfahrung in solchen Fällen. Eine Veräußerung des Anspruchs an einen so genannten Beiziehungs-Profi löst dieses Problem, indem die erforderliche sachliche Distanz zwischen Geschädigtem und Täter hergestellt wird. Diese Art der „Schadensverwertung“ ist zudem die einfachste Art, das Management des Kartellopfers davor zu schützen, sich wegen unterlassener Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vielleicht selbst einmal verantworten zu müssen. Schon bei geringeren Summen kann es sich so lohnen, die Schadenersatzansprüche zu bündeln. Denn ein (Einzel-) Kläger hat in der Regel ein im Verhältnis zum Kartelltäter nur sehr begrenztes Budget, was bei einem längeren Prozessverlauf natürlich ein Problem darstellt. Bei einer Bündelung von Ansprüchen wird jedoch auf Augenhöhe mit den Kartellteilnehmern verhandelt und im Idealfall auch eine außergerichtliche Einigung erzielt.

Einkäufer im Markt: Wie reagieren die „Kartellbrüder“ auf Schadenersatzklagen?

Christian Gloeckner: Bisher haben sich die Kartellanten meist eingeigelt und gehofft, dass kein Anspruch geltend gemacht wird oder dem Kläger im Verfahren die Puste ausgeht. Die Idee, dass Schadenersatz geleistet werden muss, ist ja auch relativ neu. 2001 hat der Europäische Gerichtshof erstmals entschieden, dass ein Verstoß gegen europäisches Wettbewerbsrecht zum Schadenersatz verpflichtet, 2005 hat auch der deutsche Gesetzgeber spezielle Regelungen in das deutsche Kartellrecht aufgenommen. Durch die Möglichkeit, private Schadenersatzansprüche geltend zu machen, dürften in Zukunft Kartelle verhindert werden, und das ist wohl auch die Absicht der Kommission. Denn ein Kartell, das sich nicht rechnet, wird gar nicht erst vereinbart. Dieses Phänomen der Marktbereinigung durch private Anspruchsverfolgung ist nicht neu: Der graue Kapitalmarkt wurde und wird durch Anspruchsbündelung wirksam und stetig von seinen schwarzen Schafen befreit.

Einkäufer im Markt: Eine Anonymität des klagenden Unternehmens ist in dem Weißbuch aber nicht vorgesehen. So soll laut EU-Kommission ein Ausarten von Sammelklagen für eine nicht bekannte Zahl von Klägern, wie es aus den USA bekannt ist, verhindert werden. Die Kommission plädiert statt dessen für so genannte Gruppenklagen, denen sich die Geschädigten ausdrücklich anschließen müssen, und das heißt wohl auch namentlich.

Christian Gloeckner: Die vorgesehenen Gruppenklagen sehen wir skeptisch. Auf der  Verbraucherebene würde dies durchaus sinnvoll sein, aber bei den Unternehmen dürfte dies fehl am Platz sein ? denn wer will es sich schon mit seinem Lieferanten verderben? Eine Veräußerung oder „Inkassozession“ des Anspruchs ist da effektiver und bereits heute möglich. Im Übrigen bleibt so das geschädigte Unternehmen zumindest teilweise anonym, da es formal nicht Prozesspartei wird, sondern Zeuge ist. Hier wird sich im privaten Kartellrecht ein neuer Typus eines Anwaltes der Geschädigten entwickeln, den man als „Anlegeranwalt“ im Kapitalmarktrecht bereits kennt ? das ist im positiven Sinne gemeint. Interessant für diese auf Kartellrecht spezialisierten Kanzleien sind zurzeit die Bereiche Papier, Kautschuk, Aufzug und Rolltreppen sowie das Videokartell, in denen Kartellstrafen verhängt wurden. Hier können die Geschädigten nun Ansprüche geltend machen. Eine auf Initiative unserer Mandanten gegründete Vereinigung, die „Association for Cartel Damage Actions“ (ACDA), wird in Kürze unter der Internetadresse www.carteldamageactions.de einen Informationsservice für kartellierte Branchen anbieten, damit Geschädigte überhaupt von ihren potenziellen Ansprüchen erfahren.

Die Fragen stellte Dow-Jones- Redakteurin Christine Büttner.

www.gplaw.de
www.carteldamageclaims.com
www.talionis.de
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