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27.04.2017  Wirtschaft
"Es war Liebe auf den zweiten Blick"
Nach zehn turbulenten Jahren in der Hand von Aktiengesellschaften wie St. Ives und Arquana zählt Johler Druck in Neumünster nun wieder zu den inhabergeführten Unternehmen, ebenso wie die Druckerei Nord Offset in Ellerbeck. Andrea Bötel sprach mit dem neuen Inhaber Franz-Hermann Enk über seine Pläne und Strategie für 2009. (Mit Bildergalerie)
Herr Enk, die Spekulationen um Johler und Nord Offset Druck nach der Arquana-Pleite haben ein Ende. Dass Sie als Inhaber und Geschäftsführer eines mittelständigen Unternehmens im westfälischen Bocholt der neue Besitzer sind, hat die Branche überrascht. Wie kam es dazu?

Auf der Suche nach einem Investor aus der Branche ist man dabei auch an mich heran getreten, was ich zuerst aber abgelehnt hatte. Nachdem sich die Suche aus verschiedenen Gründen nicht erfolgreich gestaltete – ein Fastkäufer ist ja kurzfristig abgesprungen, ist man dann erneut auf mich zugekommen. Zwischenzeitlich hatte ich das Thema Johler und Nord Offset noch einmal in Ruhe aus einem neuen Blickwinkel durchgespielt und über das Potential und die Entwicklungs-Chancen, die sich mir mit beiden Unternehmen bieten, nach gedacht. Und so war es dann Liebe auf den zweiten Blick.

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Können Sie uns etwas über die Kaufsumme verraten?

Ich bin ja sonst ein sehr offener Mensch, aber Sie werden verstehen, dass es auch Dinge gibt, die vertraulich bleiben müssen. Und so halte ich es wie ein hanseatischer Kaufmann. Aber ich darf Ihnen hier versichern, dass ich sehr viel eigenes Geld in die Hand genommen habe.

Das Wirtschaftministerium in Kiel und die Förderinstitute des Landes subventionieren das Projekt. War das für Sie ausschlaggebend für den Einstieg in wettbewerbsintensivem Rollengeschäft?

Wir hatten unsere Hausaufgaben schon gemacht, bevor man von offizieller Seite an mich heran trat. Grundsätzlich stehen in Deutschland die unterschiedlichsten Fördertöpfe zur Verfügung, wenn ein klein- oder mittelständisches Unternehmen in die Zukunftsfähigkeit und Standortsicherung investieren möchte. Das Wirtschaftsministerium und die Förderinstitute haben für uns also keine Sonderregelung eingeführt, sondern nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben gehandelt.
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Insgesamt 120 Arbeitsplätze scheinen gesichert zu sein. Nach den Erfahrungen mit der Arquana – wie nehmen die Mitarbeiter von Johler und Nordoffset die neue Situation auf?

Ganz unterschiedlich. Wer lange Zeit gebeutelt wurde, der braucht natürlich etwas Zeit, um wieder Vertrauen zu fassen und das ist von Person zu Person ganz individuell. Natürlich kann man nicht alle Baustellen gleichzeitig fertig stellen. Und das ist für den einen oder anderen Mitarbeiter nicht immer ganz befriedigend. Und so tauschen wir uns aktuell daher ganz intensiv an jeder Stelle der Unternehmen aus, damit wir gemeinsam mit den Mitarbeitern eine für alle Seiten gangbare Perspektive aufzeigen. Aber die Grundstimmung ist doch sehr positiv.

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Wie werden Sie in Zukunft firmieren? Planen Sie zum Beispiel einen Auftritt als Enk Gruppe?

Hier gibt es eine klare Line, alle drei Firmen bleiben eigenständig. Wir planen die einzelnen Unternehmen als Qualitäts-Marken mit deren jeweiligen Stärken bei den Kunden und den Lieferanten zu etablieren. Natürlich nutzen wir im Einkauf und an anderen Stellen das Potential, das wir durch die nun entstandene Größe erhalten haben. Aber das ist auch ganz legitim. Ich beobachte selbstverständlich die konjunkturelle Entwicklung und sehe erforderlichenfalls Einsparungspotential in der Zusammenlegung von Standorten.

Vor allem die Rollenoffsetdrucker verfolgen mit Spannung, welche Schritte Sie einleiten, um sich mit den neu erworbenen Betrieben am Markt zu behaupten. Was sind Ihre ersten strategischen Ziele?

Das ist ganz kurz in drei Worten gesagt: Standortsicherung, Inbetriebnahme der 64-Seiten Maschine – die ja praktisch eine 72-Seiten Maschine darstellt - und Neukundengewinnung. Dahinter verbirgt sich natürlich sehr viel mehr.

Wir werden unser Angebots- und Servicespektrum so erweitern, dass die Kunden den Mehrwert ganz schnell erkennen und wir zukünftig so zu einem echten Medien-Service-Partner mit bekannt hoher Qualität wachsen. Dazu benötigen wir ein professionelles Marketing, eine gute Kommunikation in jede Richtung und einen starken Vertrieb. Zusätzlich zu den bestehenden Vertriebsaktivitäten betreten wir momentan auch neue Wege im Vertrieb; sprechen schon sehr frühzeitig mit relevanten Personen, die für die Entwicklung von Printprodukten entsprechende Informationen erhalten, die dann in eine Kreativkonzeption einfließen. Die technischen Voraussetzungen, dies alles zu realisieren, sind an unseren Standorten gegeben.
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Konnten in Neumünster die Kunden auch während der turbulenten Zeit der Insolvenz und davor unter der Führung der Arquana gehalten werden?

Es wäre nicht ehrlich, wenn ich sagen würde, dass kein Kunde von Bord gegangen ist. Darunter waren auch Kunden, die den Unternehmen durch ihren Weggang sehr weh getan haben. Aber die Zahl war nicht so hoch, wie man vermuten möchte. Unsere Kundenbindung ist, und da muss ich allen Mitarbeitern großes Lob zollen, doch sehr stabil. Erreicht wird dies nur durch den hervorragenden Einsatz aller unserer Mitarbeiter. Und verlorene Kunden kann man durchaus auch wieder zurückgewinnen.

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Was bieten Sie Ihren Kunden an besonderen Dienstleistungen an?


Unsere Kernleistung ist und bleibt nach wie vor der qualitativ hochwertige Druck. Egal ob bei kleineren Auflagen im Bogen oder eben bei hochauflagigen Produktionen von der Rolle. Dazu natürlich eine lösungsorientierte Kundenbetreuung, die unter den Vorzeichen des nächsten Jahres einen noch höheren Stellenwert erfährt. Wir werden die Wertschöpfungskette nach vorne zum Pre-Press und nach hinten im Bereich Versand sinnvoll abrunden. Dazu gehört auch das Thema Produktentwicklung. Kunden können uns schon anfragen, wenn sie mit der Konzeptionsphase eines Druckproduktes beginnen. Wir bauen damit ganz stark auf Nachhaltigkeit für unsere Kunden.

Auch das Internet hat für uns einen ganz hohen Stellenwert. Einmal als Schnittstelle in der Projektabwicklung zwischen Kunde und uns als Lieferant, aber auch als Vertriebsinstrument, um neue Kundenschichten und Projekte zu erreichen.

Wie planen Sie die Zukunft im Hinblick auf die Produktionsmittel an den drei Standorten Bocholt, Neumünster und Ellerbek?

Am Standort Bocholt wird das Thema Rolle auf Spezialitäten reduziert. Hier schlägt das Herz der Bogenproduktion und der zentralen Klebebindung mit angehängter Veredelung. Ellerbek ist heute schon das Zentrum der qualitativ äußerst hochwertigen, hochvolumigen Umschlagproduktion. In diesem Segment wird es noch die eine oder andere Überraschung an Produktentwicklung für unsere Kunden geben. Und Neumünster ist der Ort, an dem hochvolumige Beilagen, Inhalte von Broschüren, Magazinen und Kataloge produziert werden. Dazu kann eine entsprechende Versandverarbeitung und Logistik vom Kunden abgerufen werden.
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Der Wettbewerb ist über die Subventions-Spritze für das Unternehmen Johler nicht sonderlich erfreut. Man befürchtet eine Preispolitik jenseits der Rentabilität unter ungleichen Bedingungen. Was sagen Sie dazu?

Danke für diese schöne Vorlage. In der Tat ist es so, dass einige Kollegen auch über den Weg der Presse, gegen mein Vorhaben massiv interveniert haben. Durchaus verständlich, wenn man sich den Markt und den herrschenden Preisdruck ansieht. Natürlich haben wir einen Vorteil in der Kostenstruktur, den wir zur Existenzsicherung des Unternehmens nutzen.
  
Aber noch einmal ganz deutlich: Die Inbetriebnahme der 64-Seiten Maschine dient dem Ersatz von Kapazitäten, die an anderer Stelle stillgelegt werden. Es ist kein Aufbau von unnötigen Zusatzkapazitäten, sondern eine Investition in Druckqualität, Umweltschutz und Reaktionsgeschwindigkeit. Ich bin kein Freund von Preisdumping – der Markt ist da schon kaputt genug. Qualität braucht ihren Preis. Unsere Kunden wissen das.

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Denken Sie, dass inhabergeführte Druckdienstleister bessere Chancen haben als Aktiengesellschaften?


Eine pauschale Antwort wäre hier sicher nicht richtig. In jedem Fall sind die Hierarchien eines inhabergeführten Unternehmens durchaus flacher. Und so kann es an vielen Stellen schneller und flexibler auf Veränderungen des Marktes reagieren. Die maßvolle Wahrnehmung der Unternehmerischen Verantwortung auf Augenhöhe gegenüber den Mitarbeitern und Kunden, ist sicher ein weiterer Faktor bei der Ausnutzung von Chancen. Und dann entscheiden eben auch der Innovationswille und dessen schnelle und effiziente Umsetzung über Erfolg oder Misserfolg. Da sind inhabergeführte Druckdienstleister vielleicht schon im Vorteil.

Als Manager an drei Standorten sind Sie zeitlich stark eingebunden. Wie organisieren Sie Ihre vielen Termine?

Das ist, zugegeben, nicht ganz einfach. Gerade jetzt in dieser wichtigen Phase versuche ich natürlich, an jeder Stelle Themen aufzugreifen und voran zu bringen. Da gehen ganz schnell 14 bis 16 Stunden ins Land. Organisatorisch unterstützt mich bei der Arbeit ein sehr engagiertes und professionelles Team aus langjährigen Wegbegleitern und neu hinzugestoßenen Mitarbeitern. Wir alle arbeiten sehr strukturiert, was nicht verhindert, das in der Hektik mal etwas übersehen wird oder auch schief geht. Aber auch das gehört dazu. Und für Privates bleibt da ab und an eher mal weniger Zeit übrig, was meine Frau aber mit trägt.
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Sie sind seit 25 Jahre erfolgreich am Markt. Was hat Sie bewogen, diesen doch relativ riskanten Schritt zu gehen?

Ich habe Freude am Druck. Dieses ist meine ganz wesentliche Motivation, über den Tellerrand hinaus zu sehen, auch wenn die Zukunft des Markts für den einen oder anderen Player momentan nicht ganz so rosig aussieht. Ich glaube an die Zukunft der Druckbranche. Ohne diese Einstellung wäre mein Vater vor 50 Jahren nicht in diese Branche eingestiegen und hätte ich diesen Schritt nicht angedacht und dann auch unternommen.

Die Erweiterung des Leistungsprotfolios durch die Rolle ist ja so neu nicht für mich. Nur steht sie mit den beiden Standorten im Norden und deren zukunftsweisender Technologie auf ganz anderen Beinen. Mein eigenes Investment und die Fördermittel zusammen bilden den wirtschaftlichen Rahmen, sozusagen die Wiese, auf der ich erfolgversprechend arbeiten kann.

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Die Prognosen für 2009 sind allgemein wenig optimistisch – wie bereiten Sie Ihre Unternehmen auf diese offenbar schwierige wirtschaftliche Phase vor?

Erst einmal lassen wir uns keine Angst einjagen. Wir Deutschen jammern da ja ganz gerne einmal mehr als andere. Zugegeben, die wirtschaftliche Entwicklung ist sicher nicht das, was ich zum Start meiner Vision gerne vorfinden möchte. Aber durch die Erweiterung des Leistungsspektrums, der Erhöhung des Services für bestehende und neue Kunden und einem professionellen Marketing, für den Auf- und Ausbau zu drei Qualitäts-Marken, werden wir so schnell nicht kentern.

Wirtschaftlich haben wir unsere Hausaufgaben so gemacht, dass der Atem für zwei Jahre Tauchfahrt ausreicht, bevor wir mal wieder Luft holen müssten. Bitte dies nicht falsch verstehen - wir lehnen uns nicht zurück; im Gegenteil, wir starten gerade durch.
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Die drei Standorte im Überblick:

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Johler Norddruck
Die Johler Norddruck GmbH ist auf hochwertige Werbedrucksachen wie Zeitungsbeilagen und Kataloge spezialisiert. Bis zu 10 Millionen Beilagen, Broschüren, Folder, Flyer und Zeitschriften verlassen täglich das 20.000m2  große Firmengelände.

Technische Ausstattung:
Offset-Rotation MAN Rotoman – 16 Seiten: 6 Doppeldruckwerke inklusive Eindruckwerk, A4, A3, A5, Falzleimung und intermittierende Leimung, Planoauslage, Längsperforation, Sonderfarben und Drucklack.

Zwei Offset-Rotationen KBA 408 und 418 – je 32 Seiten: Liegende und stehende Produktion, 4 Doppeldruckwerke, A4, A3, Falzleimung.

Offset-Rotation KBA 818 – 64 Seiten:
Die Hochleistungsanlage Compacta 818 von der König & Bauer AG (KBA) ist für den Akzidenzdruck in hohen Auflagen oder Seitenzahlen prädestiniert. Die 64-Seiten Rotation leistet als Doppelumfangmaschine eine Papierbahngeschwindigkeit von bis zu 15m pro Sekunde und kann Papiergewichte von 36 g/m2-130 g/m2 verarbeiten. Sie zeichnet sich neben der schnellen Druck- und Verarbeitungsgeschwindigkeit besonders durch vorteilhafte Produktionskosten pro 1.000 gedruckter Exemplare aus.
Die Inbetriebnahme der KBA 818 am Standort Neumünster steht im Mai 2009 an.

Nord Offset
Die Nord Offset Druck GmbH bietet den Inline Druck von UV-Lack im Rollenoffset an.

Technische Ausstattung:
2 Offset-Rotationen Heidelberg Web 8 - 8 Seiten: Stehende Produktion A4, 5 Doppeldruckwerke, 8 Seiten A4, Längsleimung, Stanz- und Perforierwerk (Fensteraus-stanzungen, Figurstanzungen, Lochstanzungen u.a.), Planoauslage, UV-Lackwerk und Dispersionslackwerk, Längsleimung.
Offset-Rotation MAN Rotoman 60 - 16 Seiten: Stehende Produktion, 5 Doppeldruckwerke, 16 Seiten A4, Dispersionslackwerk, Rückbefeuchtung, Pflugfalz, Längs-/Querschnittperforation, Stanzungen, Planoauslage.

Enk
Die Enk Druck & Media GmbH verbindet Prepress, Bogen- und Rollenoffset mit Klebebindung miteinander.

Technische Ausstattung:
Offset-Rotation MAN Polyman
Offset-Rotation MAN Octoman
Offset-Rotation Heidelberg WEB 16
Heidelberg Speedmaster CD74-8
plus Lack
Heidelberg Speedmaster XL75-8
Kolbus Klebebinder
Hubstanze Heidelberg Kama TS74
Inline Lackierung
Perforationen
Stanzungen
Heißfolienprägung
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