Kernkompetenz Datenveredelung
Eigentlich sollte die Maschine erst nach der drupa kommen. Aber weil die nötigen Fachkräfte schon an Bord waren, zogen die Hamburger spontan die Entscheidung auf den April vor.
Das Produktionshaus für Print-, Packungs- und Onlinemedien nahm im April 2008 eine HP Indigo press 5500 in Sechsfarbkonfiguration in Betrieb, teilte Indigo-Hersteller HP mit. Entscheidungsgrößen seien neben der "offsetgleichen Druckqualität" die "schnelle Verfügbarkeit", die "Wirtschaftlichkeit bei kleinen und kurzfristigen Auflagen sowie die umfangreichen Personalisierungs-Optionen für Web-to-Print- und Print-on-Demand-Anwendungen".
Digitaldruck rein, Analoges raus: Das Hamburger Medienhaus Albert Bauer KG hat nicht nur im April eine HP Indigo in Betrieb genommen, sondern baut Anfang Juli auch die analogen Druckmaschinen ab. Die Entscheidung fiel 2007. Auch die Maschinen für die Weiterverarbeitung sind zwar noch gut in Schuss, müssen aber ebenfalls weichen: Sie sind auf den analogen Druck und damit auf große Bögen ausgelegt und nicht für die kleineren Formate des Digitaldrucks. Dafür kommt eine Indigo hinzu und Passendes wie etwa ein UV-Coder. Gehrke möchte möglichst alle Druckprodukte lackieren.
Menschen entscheidend
Aber der Dienstleister hätte gar nicht gekauft, hätte er nicht schon eine Woche zuvor einen Fachmann für den Vertrieb der mit Digitaldruck hergestellten Produkte einstellen können. Als der kam, zog man die Investition einige Wochen vor, ohne dass man schon das Bedienungspersonal hatte. Doch man legte Wert darauf, zwei Fachleute aus der Vorstufe daran arbeiten zu lassen: So gingen zwei Datenexperten zur Schulung nach Barcelona.
Günstige Vorzeichen für Digital-Auslastung
Inzwischen hat die Indigo in den ersten dreieinhalb Wochen schon ein Auftragsvolumen von etwa 45.000 Euro gedruckt. Bei einem Start von Null sei das beachtlich, so Rolf Gehrke, einer der vier Geschäftsführer und technischer Leiter. Und er sehe auf diesem Pfad günstige Zeichen für den wirtschaftlichen Erfolg.
Spezialität: Veredelung mit Know-How
Ein klassisches Druckhaus sei man nicht: Ihre Wurzeln haben die Hamburger in der Reprographie. Diese hochqualifizierte Tätigkeit hat Spuren hinterlassen; in moderner Form prägt sie noch heute. Kernkompetenz sei es "Daten zu bewegen, zu veredeln", meint Gehrke. Längst arbeitet man für Print und Internet und auch cross-medial. Auch Filme in 3D entstehen hier oder Auto-Konfiguratoren. Der Bereich Druck ist recht klein, wie der Blick auf die Mitarbeiterzahl belegt: Von den Mitarbeitern gehören nur zehn Prozent zum Druck. Die Albert Bauer KG beschäftigt heute 180 Mitarbeiter in vier Unternehmensbereichen: Print, Packaging, Studios und Neue Medien. Hier werden medienübergreifend Kampagnen und anspruchsvolle Kreationen visuell verwirklicht sowie Druckunterlagen und Druckformen für nahezu alle Verpackungsdruck-Verfahren produziert. Zu den Kunden zählen Markeninhaber und Agenturen wie Kolle Rebbe, Publicis, Leagas Delaney, Brand Union, BMW, Wempe, Montblanc, HHLA, Henkel, BAT, Phillip Morris, Olympus und viele mehr.
Klassische Akzidenzen, Werbe- und Geschäftsdrucksachen von der Visitenkarte bis zum mehrere hundert Seiten starken Geschäftsbericht sollen auf dem HP Indigo-Drucksystem entstehen.
Nachfrage drängt zur Digitalisierung
Das Unternehmen habe viele Anfragen im Zusammenhang mit E-Mail-Marketing erhalten, erläutert Marketingleiterin Melanie Roßius eines der Motive für den Einstieg in den eigenen Digtaldruck. Auch hier spielt Personalisierung eine große Rolle. Viele Endabnehmer solcher Newsletter sähen aber "lieber Gedrucktes im Briefkasten". Durch die Eingliederung des Digitaldrucks könne die Albert Bauer KG die digitalen Newsletter besser für den Druck adaptieren. Es sei einfach "ein zweites Ausgabemedium", so Rossius.
Für den Einstieg in den Digitaldruck sprach die Möglichkeit, dann intelligente Produkte aus einer Hand anzubieten. Damit stärke man über die Herstellung des Endprodukts das Image des Experten. Schon lange seien die Hamburger eine Anlaufstelle für Druckereien, wenn die ein Problem mit ihrem Druckprozess haben, erzählt Gehrke.
Für den Kunden allerdings sei es egal, ob Druck selbst analog oder digital abgewickelt wird – das Entscheidende spiele sich vorher ab, bei den Daten. Und dafür will man Experte bleiben. Dazu gehört eine enge Anbindung an Kundendaten und deren Aufarbeitung. Wenn man dann den Druck ebenfalls selbst erledige, würde die Produkte "im Regelfall auch besser".
Hier könne man auch Wertschöpfung erzielen. Viele einfache, schon lange automatisierte Prozesse seien dagegen schon lange abgewandert zu Kunden oder zum "Drucker X".
Prozesse beherrschen
So hat das 1960 gegründete Unternehmen, dessen Wurzeln bis in die 1930er Jahre zurückreichen, den bisher extern zugekauften Digitaldruck ins Haus geholt. Zwischenzeitlich hatte das Haus den Digitaldruck nach außen vergeben und hatte solche Aufträge nur gemanaged. Aber man sei dann am besten, auch in der Beratung, wenn man die Prozesse selbst praktisch kenne und beherrsche, so Gehrke. So sei es wichtig, die Informationstechnik und den Druck im Hause zu haben. Lange war das nur für den Proof der Fall, nicht für den Auflagendruck. Nun erstellt man unter dem gleichen Dach zugleich das Endprodukt. Die Qualitätskontrolle gerade der individualisierten Kleinauflagen sei dann besser möglich. Und der Kunde wolle keine Teilprozesse, sondern das Endprodukt.
Zertifizierung
Eine Zertifizierung gibt es im Digitaldruck wegen der sich stark unterscheidenden Technik noch nicht. Was Gehrke bedauert. Er wünscht sich, dass sein Unternehmen dann unter den ersten Zertifizierten ist.
Auswahl individuell
Viele Digitaldruck-Maschinen hat sich Gehrke in den letzten zwei Jahren zeigen lassen und getestet. Vor deren Möglichkeiten stand aber die Analyse des Marktes und der Kundenanforderungen. Es gebe viele solcher Maschinen, die alle ihre Berechtigung hätten. Andere hätten durchaus Vorteile in der Farbsteuerung. Die Indigo habe zu den typischen Aufträgen der Hamburger gepasst. Die Albert Bauer KG druckt Gehrke zufolge sehr viel im High-End-Segment, etwa für Werbeagenturen im Bereich der klassischen Werbung. Der eigene Qualitätsanspruch schieße mit der Indigo sogar über das Geforderte hinaus.
Sein Haus sei sehr umweltbewusst. Mit dem Thema "Deinkability" und den Wirkungen des ölbasierten Inkjet-Drucks der Indigo auf das Recycling von Papier wolle er sich noch befassen.