Preisverleihung in Düsseldorf
Anne Sokoll erhält den drupa Preis 2017 für ihre Dissertation an der Heinrich-Heine-Universtität Düsseldorf.
Der drupa Preis 2017 geht an Anne Sokoll (36) von der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Ausgezeichnet wurde die Germanistin für ihre Dissertation über "Die Zirkel schreibender Arbeiter in der DDR. Geschichte, Ästhetik und Kulturpraxis einer Bewegung". Überreicht wurde der mit 6.000 Euro dotierte Preis von Claus Bolza-Schünemann (Vorstandsvorsitzender der Koenig & Bauer und Vorsitzender des drupa-Komitees), Werner Dornscheidt (Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Düsseldorf) und Anja Steinbeck (Rektorin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) am 31. Mai 2017 im Industrie-Club Düsseldorf.
In seiner Laudatio würdigte Claus Bolza-Schünemann die von einer Fachjury bewertete Leistung der diesjährigen drupa Preisträgerin: "Anne Sokoll hat mit ihrer Arbeit die Hintergründe der Bewegung schreibender Arbeiter in der DDR erstmals wissenschaftlich bearbeitet und den Versuch unternommen, dieses literarische Feld und die damit verbundene Bewegung, der Tausende Menschen angehörten, näher zu beleuchten und darzustellen."
Worum geht es in der mit dem drupa Preis 2017 ausgezeichneten Arbeit? Die Schriftsteller in der DDR lehnten es mehrheitlich ab, die Ideologie der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), der führenden Staatspartei der DDR, literarisch zu berücksichtigen und die Werktätigen im Arbeiter- und Bauernstaat im Sinne der Partei zu erziehen. Daher plante die SED in den 1950er-Jahren, die Arbeiter unter dem Slogan "Greif zur Feder, Kumpel" selbst schreiben zu lassen, um eine neue sozialistische Nationalliteratur der DDR zu schaffen. Professionelle Schriftsteller wiederum waren aufgefordert, in die Betriebe zu gehen, um ihrerseits aus eigener Sicht vom "grandiosen Gesellschaftsumbau" zu berichten. Verkündet wurde dieser Beschluss 1959 in Bitterfeld, weshalb man bei dieser DDR-Arbeiterkulturbewegung vom "Bitterfelder Weg" spricht.
In dessen Verlauf bildeten sich mehr als 250 Literaturzirkel in der DDR. Sie wurden zu Anlaufpunkten für jene, die schreiben wollten oder sich fürs Schreiben interessierten. Unter Anleitung von erfahrenen Schriftstellern und Journalisten produzierten die Laienautoren und Arbeiterliteraten in den Zirkeln Massen von T exten, die sich letztlich nicht eigneten, als neue DDR- Nationalliteratur zu fungieren. Allerdings prägte die Verschiedenheit der Betriebe und Regionen, in denen die Zirkel angesiedelt waren, Art und Inhalt der Zirkelliteratur, weshalb ihre Auswertung nicht zuletzt einen besonderen Blick auf das Leben der Menschen und deren Arbeit in der DDR ermöglicht.
Nach der Wende 1989 lösten sich die meisten Zirkel schreibender Arbeiter auf und es ist einigen Aktivisten zu verdanken, dass die Zirkelliteratur nicht vollends verschüttgegangen ist. So konnte ein Teil der Unterlagen in einem Untergeschoss einer Ostberliner Kindertagesstätte gerettet und sichergestellt werden. Dieses Archiv wurde Motivation und in der Anfangsphase auch inspirierende Fundgrube für die mit dem diesjährigen drupa Preis ausgezeichnete Dissertation von Anne Sokoll. (kü)